Die Weg zum Zweiten Weltkrieg bis Kriegsende
Am 21. Oktober 1939 schlossen Hitler und Mussolini ein Abkommen zur Umsiedlung der deutschen und der ladinischen Minderheit in Südtirol sowie der Zimbern in den Provinzen Trient (Lusern, Fersental), Vicenza (Sieben Gemeinden), Belluno (Sappada), Verona (Dreizehn Gemeinden) und Udine (Sauris, Timau). Den etwa 250.000 deutschsprachigen Südtirolern und Ladinern (80% der Wohnbevölkerung) sowie den Zimbern wurde die Option für Deutschland nahe gelegt. Wer in Italien verbleiben wollte, musste die Italianisierung mit Aufgabe von Kultur und Muttersprache in Kauf nehmen, die schon Anfang der 1920er begonnen hatte. Damit wurde die Hoffnung vieler Südtiroler auf Wiedervereinigung mit dem österreichisch gebliebenen Nord- und Ostteil von Tirol begraben, die sich 1938 nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland verstärkt hatte.
Die Pläne zur Umsiedlung wurden in Südtirol am 29. Juli bekannt und verursachten zunächst eine Welle der Empörung. Der Deutsche Verband (DV) und der Völkische Kampfring Südtirols (VKS) trafen sich im Bozener Marieninternat bei Kanonikus Michael Gamper und beschlossen, die Heimat keinesfalls zu verlassen. Doch der VKS schwenkte bald um und propagierte die Option als bessere Lösung, worauf auch die Bleiber um Gamper in den Propagandakrieg einstiegen, der von Flugblättern bis zu Kettenbriefen und Schmähschriften reichte.
Die schwierige Wahl zwischen unfreiwilliger Auswanderung – man sprach von Galizien und polnischen Bauernhöfen, später auch von Burgund und der Krim – und dem Verlust wichtiger Bürgerrechte wurde Gegenstand heftiger Diskussionen auch in den Gemeinden und quer durch viele Familien. Beschleunigt wurde sie aber durch ein vom Reichspropagandaminister Joseph Goebbels lanciertes Gerücht, dass die „Dableiber“ nach Sizilien, auf jeden Fall aber südlich des Po ausgesiedelt würden (erst als schon Zehntausende ausgewandert waren, sicherte Mussolini nach wirtschaftlichen Überlegungen im März den Italien-Optanten zu, dass sie in Südtirol bleiben könnten). Etwa 85% der Südtiroler Bevölkerung entschieden sich für die Umsiedlung ins Reich, womit weder die italienischen Faschisten noch Hitler gerechnet hatten. Tatsächlich ausgewandert sind bis zum Sturz des Diktators Mussolini nur einige tausend vorwiegend besitzlose Familien.
Widerstand und Gründung des Andreas-Hofer-Bundes
Unter den Südtiroler Dableibern versuchten vor allem viele Priester und politisch engagierte Christlichsoziale, der deutschen Options-Propaganda und den italienischen Zwangsmaßnahmen organisierten Widerstand entgegenzusetzen.
Der prominenteste Protagonist von ihnen war Canonicus Michael Gamper, der in der Zwischenkriegszeit für die einzige deutschsprachige Zeitung Südtirols Der Tiroler (bis 1923, dann Der Landsmann bis 1925) und zuletzt die Tageszeitung Dolomiten arbeitete. Trotz der wortgewaltigen Artikel in seinen Medien konnte Gamper nicht einmal 1/5 der Südtiroler zum Bleiben ermutigen.
Kanonikus Michael Gamper + 1956
Um die Dableiber vor Übergriffen der Optanten zu schützen, wurde noch 1939 der Südtiroler Andreas-Hofer-Bund gegründet. Er war die wichtigste deutsch-südtiroler Widerstandgruppe gegen den Nationalsozialismus, aus der 1945 die Südtiroler Volkspartei (SVP) hervorging.
Süd-/-Tiroler Patriotenbrief
Gründungsmitglieder des AHB waren neben Can. Gamper vier weitere führende "Dableiber": der spätere Südtiroler Senator in Rom Friedl Volgger (1914-1997), der Abgeordnete Paul von Sternbach, der Bozner Kaufmann Erich Amonn und Josef Mayr-Nusser. Friedl Volgger übernahm die Funktion des Vorsitzenden und hatte sie bis 1943 inne, als er durch die Nazis verhaftet und ins Konzentrationslager Dachau verschleppt wurde. Dieses Schicksal erlitten noch mehrere tausend Tiroler des Widerstands.
Das Protokoll der deutsch-italienischen Verhandlungen in Berlin vom Juni 1939 ([1]) erwähnt auch heftige Ablehnung der Umsiedlung unter den Zimbern in den Provinzen Trient (Lusern, Fersental) und Belluno (Sappada), doch seien „alle Würmer zu vernichten, die an der Realisierung der Aufgabe nagten“. Das Hauptproblem gehe von etwa 10.000 Österreichern aus, die durch den Anschluss „Reichsdeutsche geworden seien, jetzt aber sozusagen den Generalstab des Widerstandes“ bilden; hier müsse der Anfang gemacht werden. Die Zahl der italienischen Staatsangehörigen deutschen Ursprungs und deutscher Sprache sei nicht einfach festzustellen. Es handle sich um ca. 200.000, davon seien jedoch „etwa 100.000 italienischer oder fast italienischer Abstammung“ (Eine Behauptung, die nicht stimmte).
Entwicklungen nach der Option 1939
Insgesamt votierten 166.488 Südtiroler für die deutsche Staatsbürgerschaft, sowie 16.572 Wähler in den Provinzen Belluno, Trient, Vicenza und Udine. Samt ihren Kindern betraf das 213.000 Südtiroler, wovon aber bis 1943 nur 75.000 auswanderten (Gesamtsaldo 47.000 laut [2]). Es waren hauptsächlich unselbständig Erwerbstätige aus den größeren Orten, aber nur wenige Bauern.
Ungeheuerliche Kriegspropaganda
Während 85 bis 90 Prozent der Südtiroler für das Deutsche Reich optierten (sie wurden als Optanten bezeichnet und schlossen sich in der ADO, der Arbeitsgemeinschaft der Optanten für Deutschland zusammen), war das Verhältnis beim Klerus und diesem nahestehenden Personen genau umgekehrt.
Gedichteversionen der Dableiber und der Optanten
Die ersten Familien verließen schon 1939 ihre Heimat und bis 1943 waren etwa 75.000 Südtiroler ausgewandert, vorwiegend mit geringem oder keinem Besitz. Nach Mussolinis Sturz erfolgte im September 1943 die deutsche Besetzung Südtirols und Norditaliens, was die Auswanderung beendete. Nach 1945 kehrte ein Großteil der Reichs-Optanten wieder in ihre Heimat zurück. Da das Gebiet Südtirol auch nach dem 2. Weltkrieg beim italienischen Staat blieb, erhielten jene Optanten, die im Land geblieben waren, nach dem Gruber-De Gasperi-Abkommen wieder die italienische Staatsbürgerschaft. Die Rückkehrer (Rücksiedler genannt) mussten nachweisen, dass sie vor der Option Südtiroler gewesen waren. Ihre Kinder mussten durch einen Geburtsschein belegen, dass sie ein Anrecht auf die italienische Staatsbürgerschaft hatten. Bis 1961 stieg die deutschsprachige Bevölkerung auf etwa 220.000. Der italienische Anteil verdreifachte sich jedoch durch Einwanderung aus dem Süden auf 110.000 Einwohner.
Die 1945 gegründete SVP forderte die Autonomie bzw. die Rückkehr zu Österreich, wofür 156.600 Südtiroler (fast 100% der Wähler) unterschrieben. Die Pariser Friedenskonferenz der Alliierten lehnte ab und wirkte 1947 auf das Gruber-De Gasperi-Abkommen hin. Zu echter Autonomie führte aber erst die Trennung vom Trentino und das Südtirol-Paket von 1969 (angenommen 1992). Seit 1961 nimmt der Anteil der Italiener (im Verhältnis) wieder ab und beträgt heute etwa 26 Prozent (statt über 30%).
Quellenangabe:
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