Bis zum Wendepunkt 1939
Nach dem für das Habsburger Vielvölkerreich (Kaiserreich Österreich-Ungarn) verlorenen Ersten Weltkrieg wurde 1920 das zu 97 % deutschsprachige Südtirol von Italien annektiert. Dies kam durch den Umstand zustande, dass die Truppen des Habsburger Kaisers den vereinbarten Waffenstillstand von Villa Giusti 24 Stunden zu früh, nämlich am 3. November, angetreten hatten und die italienischen Truppen dadurch die österreichisch-ungarischen Stellungen überwinden und innerhalb weniger Tage von der Front im Trentino bis nach Innsbruck vorstoßen konnten.
Dreiteilung Südtirols 1919
Obwohl die neue Republik Deutschösterreich ganz Deutschtirol für sich beanspruchte, wurde im Friedensvertrag von Saint-Germain die Angliederung des südlich des Brenner liegenden Teils Tirols - gegen den Willen der dortigen Bevölkerung - an Italien besiegelt: England und Frankreich hatten bereits im Londoner Vertrag von 1915 Italien die Brennergrenze und andere Gebiete zugesichert, um dessen Kriegseintritt an der Seite der westlichen Alliierten zu erkaufen. In Österreich, vorwiegend in Innsbruck, wurden daraufhin als Solidaritätsbekundungen Straßen und Plätze nach Südtiroler Orten umbenannt (vgl.: Südtirolerplatz). Ähnliches geschah auch in Deutschland, z. B. in München.
1921 kamen die Schlägertrupps der faschistischen Partei Italiens (Schwarzhemden) auch nach Südtirol, wo sie vornehmlich Überbleibsel und Symbole der ihr „verhassten Doppelmonarchie” (etwa Doppeladler) zerstörten. Vorläufiger Höhepunkt dieser Szenarien war ein Übergriff auf einen Trachtenumzug in Bozen am 24. April 1921, bei dem der Marlinger Lehrer Franz Innerhofer ermordet wurde. Am 2. Oktober 1922 zogen 700 italienische Faschisten nach Bozen und besetzten das Rathaus unter den Augen der Polizeikräfte, die aber nicht einschritten.
Mit der Machtergreifung des Duce Benito Mussolini begann für die Südtiroler mit der Italianisierung eine Phase der Unterdrückung. Die folgenden Zeiten trugen vor allem die Handschrift von Ettore Tolomei, einem Nationalisten aus dem Trentino, der sich die „Italianisierung“ Südtirols zur Lebensaufgabe gemacht hatte. Ab 1923 wurden sämtliche Orts- und Flurnamen italianisiert und die Verwendung des Names Tirol verboten. Bereits 1916 hatte Tolemei eine Liste herausgegeben, in der die Ortsnamen ins italienische übersetzt waren, teilweise schlichte Übersetzungen der gebräuchlichen deutschen Namen. Auch die deutschen Familiennamen der Bevölkerung waren darin bereits übersetzt (Details zum Werk Tolomeis).
Zwischen 1923 und 1925 wurde Italienisch zur einzig zugelassenen Amts- und Gerichtssprache, deutschsprachige Zeitungen wurden verboten. Ab 1927 durften die Dolomiten und einige andere Zeitschriften aus dem (damals) kirchlichen Verlagshaus Athesia wieder erscheinen. Zudem stand Südtirol ab 1924 unter Militärprotektorat; Gebäude durften nur nach Zustimmung des Militärs errichtet werden.
Im Zuge der faschistischen Schulreform von 1923 wurde in den folgenden Schuljahren an allen Schulen die deutsche Sprache verboten. Kirchliche Schulen mussten sich ebenfalls fügen oder schließen. Einzig die Knabenseminare Vinzentinum in Brixen und Johanneum in Dorf Tirol konnten aufgrund der Lateranverträge von 1929 weiterarbeiten.
Nachdem die Proteste keine Wiederzulassung der deutschen Sprache brachten, wurden neue Formen gesucht. Im Schuljahr 1925/26 nahmen die deutschen Geheimschulen (Katakombenschulen) ihre Tätigkeit auf.
In diese Zeit fällt auch der Bau des bis heute umstrittenen faschistischen Siegesdenkmals von 1928 und die Zerstörung von Denkmälern aus der Habsburger Kaiserzeit.
1928 begann die zweite Phase der Italianisierung. Da die bisherigen Bemühungen nicht von großem Erfolg gekrönt waren, wurde in Bozen eine große Industriezone angelegt. Firmen erhielten großzügige Subventionen und Steuerbegünstigungen, wenn sie Niederlassungen in Bozen errichteten. So wurde innerhalb weniger Jahre die Einwohnerzahl Bozens durch italienischsprachige Zuwanderer vervielfacht: die Bevölkerung wuchs von 30.000 Einwohnern zur Jahrhundertwende auf zwischenzeitlich bis zu 120.000.
Quellenangabe:
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